Zum in der Nordsee-Zeitung vom 02.03.2015 erschienenem Artikel „Mindestlohn geht an der Praxis vorbei“ erklären Dietmar Buttler und Carsten Zinn, Sprecher der LINKEN im Südkreis Cuxhaven und Ratsangehörige in Hagen und Beverstedt: „Das Gejammer über den Mindestlohn aus Wirtschaftskreisen reißt nicht ab. Bereits vor der Einführung haben zahlreiche wirtschaftsnahe Politiker und Institute das Ende des Abendlandes heraufbeschworen. Millionen von Arbeitsplätzen seien durch den Mindestlohn gefährdet, hieß es.“
Davon eingetroffen ist laut Zinn und Buttler bisher nichts.
Zinn: „Das hält die Wirtschaft und große Teile der CDU/CSU nicht davon ab, weiter gegen den Mindestlohn Sturm zu laufen. Da sich das Argument der Arbeitsplatzvernichtung nicht mehr halten lässt, muss nun offensichtlich ein neues Argument her. Der angebliche bürokratische Aufwand bei der Dokumentation der Arbeitszeit steht nun im Zentrum der Kritik. Von einem „Bürokratiemonster“ ist durch die Bank die Rede, von Auflagen, die für kleine und mittlere Betriebe – in diesem Fall Landwirte – nicht zu bewältigen seien.“
Buttler: „Der Tenor ist der gleiche wie zuvor, nur jetzt gefährdet der Mindestlohn der Arbeitgeberlobby nach nicht mehr nur Arbeitsplätze, sondern bereits ganze Betriebe: Der Mindestlohn als Fegefeuer linker Sozialpolitik – drauf und dran, den gesamten deutschen Mittelstand zu brandroden.“
Irreführende Argumente
Zinn weiter: „Nun ist das Argument, dass die Dokumentationspflicht des Mindestlohngesetzes einen zusätzlichen Bürokratieaufwand erfordert, gleichermaßen trivial wie irreführend. Für die meisten Betriebe hält das Gesetz nicht viel Neues bereit. Seit über zwei Jahrzehnten ist im Arbeitszeitgesetz (ArbZG §16 Abs.2) die Erfassung von Überstunden vorgeschrieben. Dies ist nur möglich, wenn auch die reguläre Arbeitszeit dokumentiert wird. In der Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung heißt es wortwörtlich: „Dokumentationspflichten [werden] auf die Gruppe derjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konzentriert, bei denen dies durch das konkrete Risiko eines Mindestlohnverstoßes in besonderem Maße angezeigt erscheint.“
Buttler: „Dies bedeutet: Es betrifft nur Minijobs und Branchen, in denen seit jeher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Schwarzarbeit und Lohnbetrug betroffen sind, wie beispielsweise die Baubranche oder das Gaststättengewerbe. Werden die Arbeitszeiten dort nicht erfasst, wird der Mindestlohn oft nicht bezahlt werden. Und wie soll eine Kontrolle so auch möglich sein? Der geforderte bürokratische Aufwand der Dokumentation der Arbeitszeit reduziert sich beim genauen Betrachten auf eine handschriftliche Notiz auf einem Stück Papier.“
Versuchte Sabotage
Buttler und Zinn: „Der eigentliche Sinn der Bürokratie-Debatte ist die Sabotage des Mindestlohngesetzes. Der tatsächlicher Bürokratieaufwand beim Mindestlohn sind die unzähligen Ausnahmeregelungen, die von der CDU/CSU gefordert wurden und im Gesetz stehen. Ausnahmen beziehungsweise Übergangsfristen gelten u. a. für Saisonarbeitskräfte – so auch in der Landwirtschaft, für Jugendliche unter 18 Jahren, für Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller, für Langzeitarbeitslose.“
Diesen Bürokratiewahnsinn im Alltag zu kontrollieren, gleicht laut Zinn und Buttler der Quadratur des Kreises, so klagt z. B. Kollege Krieger von der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft BDZ. Insbesondere, da es an allen Ecken und Enden an Personal fehlt.
Zinn: „Das ist der zweite Punkt, mit dem dieses Gesetz vom zuständigen Finanzministerium sabotiert wird. Bisher genehmigt sind 1600 Planstellen – zu besetzen bis Ende der Legislatur. Knapp tausend zusätzliche Stellen fordert die BDZ jedoch schon jetzt – um überhaupt effektive Arbeit leisten zu können. Ohne neues Personal wird die flächendeckende Bekämpfung von Missbrauch nicht möglich sein.“
Buttler: „Schon jetzt häufen sich Berichte, wonach einige Unternehmen versuchen, den Mindestlohn durch Schlupflöcher zu umgehen. Und das, obwohl der Mindestlohn selbst nicht mehr als ein Niedriglohn ist. Fehlende Kontrollen und ein Schleifen der Dokumentationspflicht im Sinne der Arbeitgeber öffnen dem Missbrauch Tür und Tor.“
Buttler und Zinn fordern daher: „Frau Nahles muss ihr eigenes Gesetz ernst nehmen und so schnell wie möglich für mehr Kontrollen sorgen und der unsägliche Bürokratiedebatte entschieden entgegentreten.“
Dietmar Buttler und Carsten Zinn, Sprecher der LINKEN im Südkreis Cuxhaven und Ratsangehörige in Hagen und Beverstedt