Vor der Sitzung des Verteidigungs-ausschusses zur aktuellen Lage in Afghanistan erklärt Tobias Pflüger, stellvertretender Parteivorsitzender der LINKEN und verteidigungspolitischer Sprecher der LINKEN im Bundestag:
Die Bundesregierung hat bei der Evakuierung schutzsuchender Menschen aus Afghanistan auf ganzer Linie versagt. Die chaotischen Szenen am Kabuler Flughafen hat auch das Außenministerium mit seiner Hinhaltepolitik mitzuverantworten. Das begann mit einem bürokratischen Verfahren, im Zuge dessen Menschen trotz Kriegswirren nach Kabul kommen mussten, um biometrische Daten aufzunehmen und Anträge zu stellen. Mit engen Kriterien und wenig Empathie wurde selbst ehemaligen Ortskräften der Bundeswehr die Möglichkeit, nach Deutschland aufgenommen zu werden, vielfach verbaut.
Das Auswärtige Amt hat es, trotz eines entsprechenden Auftrags des Kabinetts, wochenlang versäumt, Evakuierungspläne vorzulegen. Dadurch wurde wertvolle Zeit verloren.
Die Bundeswehr hat bei ihrem Abzug aus Afghanistan zwar Rest-Bier und Gedenksteine „gerettet“, aber kaum Ortskräfte. Das ist und bleibt skandalös. Der Schlamassel, der jetzt besteht, ist also sehenden Auges von der Bundesregierung in Kauf genommen worden.
Wichtig ist es jetzt, unbürokratisch und direkt den Menschen zu helfen, die gefährdet sind. Das sind nicht nur diejenigen, die mit der einen oder anderen westlichen staatlichen Organisation zusammengearbeitet haben. Diese Gefährdung besteht für sehr viele Menschen in Afghanistan, für Menschen auf der Flucht innerhalb von Afghanistan und diejenigen, die das Land bereits verlassen haben und auf dem gefährlichen (Flucht-)Weg nach Europa sind.
Deswegen fordere ich die Bundesregierung auf jetzt alles dafür zu tun, den Flüchtenden aus Afghanistan zu helfen. Ehemalige Ortskräfte, ihre Familien und andere Gefährdete können häufig gar nicht über den Flughafen Kabul ausreisen, deshalb braucht es auch Anlaufstellen in den afghanischen Nachbarländern. So sind Menschen aus dem früheren Bundeswehr-Standort Masar-I-Sharif schneller in Tadschikistan oder Usbekistan als in Kabul.
Wer jetzt als einzige Antwort auf das Fiasko in Afghanistan eine Bundeswehr-Kommando-Aktion mit einzelnen Flugzeugen auf den Weg bringt, der hat das Ausmaß der Tragödie nicht verstanden und versucht den Eindruck zu vermitteln, dass militärische Lösungen möglich sind.
Zwanzig Jahre westliche Kriegsbeteiligung und Militärpräsenz in Afghanistan sind umfassend gescheitert. Jetzt gilt es, diesen Fehler aufzuarbeiten und alles dafür zu tun, dass schutzsuchende Menschen aus Afghanistan nicht den Preis dafür bezahlen, dass sie vor Ort mit westlichen Organisationen kooperiert oder dass sie sich für Menschenrechte eingesetzt haben.