Die Geschichte der Betriebsräte ist ein Grund zum Nachdenken und zum Handeln!
100 Jahre Betriebsräte. Der DGB „feiert“ diese Zahl. Dabei sind es schon mal nicht 100 Jahre sondern maximal 88 Jahre, denn in den 12 Jahren des tausendjährigen Reiches der Nazis gab es keine Betriebsräte sondern das Prinzip Betriebsführer und Gefolgschaft.
Doch auch das Betriebsrätegesetz von 1920 war gegen den erbitterten Widerstand vieler kämpfender Arbeiter zustande gekommen. Die damaligen Betriebsräte waren nur noch eine Karikatur des Rätegedankens der die Novemberrevolution von 1918 beherrscht hatte.
Nach 1945 waren es Betriebsräte die die Produktion in den Betrieben wieder ankurbelten und sie hatten auf der Grundlage des alliierten Kontrollratsgesetzes weit mehr Rechte als heute. Als 1952 die Regierung Adenauer das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) durchpeitschte, war der DGB dagegen und die Gewerkschaft IG Druck und Papier organisierte im Auftrag des DGB den ersten (und letzten) POLITISCHEN STREIK gegen dieses Gesetz.
Die Gründe dafür sind heute noch aktuell, denn damals versuchte Adenauer eine Politik des BETRIEBSFRIEDENS und der VERTRAUENSVOLLEN ZUSAMMENARBEIT von Arbeitgebern und Betriebsräten zur Norm zu erheben. Betriebsräte und Gewerkschaften wurden institutionell getrennt und die Gewerkschaften faktisch zu betriebsfremden Elementen erklärt.
Jahrzehntelang gelang es den Gewerkschaften diese Grundtendenz des Gesetzes durch starke an die Gewerkschaften gekoppelte Betriebsräte zu relativieren. Doch bei veränderten Kräfteverhältnissen setzte sich das Prinzip der Zusammenarbeit immer mehr durch. Betriebsräte vereinbaren heute NAMENSLISTEN, mit denen die Entlassung von Beschäftigten erleichtert wird. Betriebsräte vereinbaren „Bündnisse“ mit denen tarifliche Standards zugunsten der Arbeitgeber unterlaufen werden. Nach dem Gesetz können und dürfen Betriebsräte nicht auf den Arbeitgeber kollektiven Druck z.B. durch Streiks ausüben, sondern sind auf bloße „intellektuelle Gegenmacht“ in Einigungsstellen und Monatsgesprächen angewiesen.
Doch selbst die wichtigen Rechte auf Information und Beteiligung werden immer weiter zurückgefahren durch Ausgliederung und Outsourcing. Ganz zu schweigen von der offenen Bekämpfung von Betriebsräten durch Betriebsratsbusting. Am schlimmsten aber ist der mangelnde VOLLZUG des Gesetzes, der inzwischen nur noch bei 9 % (!!) der betriebsratsfähigen Unternehmen liegt. Kein Arbeitsgesetz ist so wenig sanktioniert und vollzogen wie das BetrVG. Das ist kein Grund zum Feiern sondern zum Nachdenken über reale Gegenmacht in den Betrieben!
Dr. Rolf Geffken, 02.02.2020